Die vor dem sizilianischen Porticello ankernde „Bayesian“ wurde am frühen Montagmorgen von einem schweren Wirbelsturm getroffen und sank danach binnen weniger Minuten auf 49m Tiefe – wie Videoaufnahmen und Zeugenaussagen bestätigen.
22 Personen an Bord
An Bord befanden sich 22 Personen, von denen 15 kurz nach dem Untergang durch den in der Nähe liegenden 42m-Topsegelschoner „Sir Robert Baden Powell“ aus einer Rettungsinsel geborgen werden konnten. „Bayesian lag flach auf dem Wasser und ging dann unter. Dann sahen wir eine rote Leuchtrakete, steuerten an, und nahmen 15 Menschen an Bord – darunter vier teils schwer Verletzte“ zitiert die britische BBC den deutschen Sir-Robert-Kapitän Karsten Börner.
Die Suche nach Vermissten erfolgte laut Vincenzo Zagarola von der italienischen Küstenwache „mit Hilfe von Militärschiffen, Hubschraubern und Tauchern“, sieben Bayesian-Passagiere wurden zwischenzeitlich tot geborgen.
Wie konnte das Unglück geschehen?
Bleibt die Frage, wie sich selbst in schwerstem Wetter vor Anker – selbst nach vernehmlich zuvor gebrochenem 75m-Mast – eine +50m-Segelyacht gegen das aufrichtende Drehmoment eines in dieser Klasse üblicherweise 20 bis 30 Tonnen schweren Kiels „flach auf das Wasser legen“ kann, um vollzulaufen und unterzugehen.
Klar ist nichts unmöglich, doch wer rechnet damit, dass ein 56m langer und hochseetauglicher Supersegler bei einem Wirbelsturm auf tragische Weise innerhalb von Minuten sinkt, zumal andere Schiffe in der Umgebung offenbar keine Probleme hatten?
Giovanni Costantino erhebt schwere Vorwürfe gegen „Bayesian“-Crew
Unterdessen meldet sich Giovanni Costantino, CEO der „The Italian Sea Group“, Inhaberin der italienischen Werft Perini Navi, welche die „Bayesian“ 2008 gebaut hatte, zu Wort und erhebt Vorwürfe gegen die Crew des Superseglers. Zwar hatte Costantino 2008 keinerlei Bezug beim Bau der „Bayesian“, Perini Navi wurde jedoch Anfang 2022 von „The Italian Sea Group“ übernommen – Costantino hat also ein Interesse, den Ruf der Werft durch die Tragödie nicht zu beschädigen.
Costantino führt das Unglück ausschließlich auf menschliches Versagen zurück, sieht die Verantwortung also beim neuseeländischen Kapitän sowie seiner Besatzung – und eines fehlenden und vorhersehbaren Notlage-Managements.
Wurden Unwetterwarnungen ignoriert?
„Es war unmöglich, von dem Sturm nichts zu wissen“, teilte Costantino wortwörtlich mit. Er führte aus, dass das Unwetter in jeder Hinsicht vorhersehbar war und der Kapitän entsprechend hätt handeln müssen. So nannte er z.B. ortsansässige Fischer, die vorher über das Unwetter informiert waren und gar nicht erst ausliefen. Auch die nahe liegende Yacht „Sir Robert Baden Powell“ hätte den Sturm bewältigt. Ebenso war es nicht angebracht, trotz Unwetterwarnungen am Vorabend eine Party zu veranstalten – stattdessen hätte die Yacht sturmsicher gemacht werden müssen.
Welche Sicherheitsvorkehrungen wurden missachtet?
Weitere wichtige Sicherheitsvorkehrungen seien ebenfalls nicht beachtet worden: Die Passagiere hätten nicht in den Kabinen sein dürfen, die Segelyacht hätte erst gar nicht vor Anker liegen dürfen. Den schwerwiegendsten Grund für das Unglück sieht Costantino jedoch darin, dass offenbar Türen und Luken trotz Unwetterwarnung offen waren. Laut Costantino neigte sich die Yacht nur deshalb um 90 Grad, weil Wasser ungehindert eindringen konnte. Ein reduzierter Tiefgang aufgrund des eingezogenen Kiels erhöhte zwar die Instabilität der Yacht, sei aber anders als bei einem Wassereintritt nicht entscheidend dafür gewesen, dass das Boot gesunken sei, so Costantino.
Perini Navi Supersegeler des „englischen Bill Gates“
Die 56m lange „Bayesian“ ist eine der größten Segelyachten der Welt mit einer Segelfläche von 3.000 qm² und wurde von Perini Navi 2008 von Stapel gelassen (damals unter den Namen „Salute“). Sie war im Besitz der Frau von Tech-Milliardär Mike Lynch, auch bekannt als „englischer Bill Gates“, einem der sieben geborgenen Todesopfern – darunter auch seine 18jährige Tochter, ein Finanz-Manager, ein Anwalt mit seiner Partnerin sowie der Hiscox Aufsichtsratsvorsitzende Jonathan Bloomer und dessen Frau.
Segeltour war als Feier mit Familie und Freunden gedacht
Milliardär Mike Lynch wollte mit der Segeltour zusammen mit seiner Familie und engen Freunden eigentlich die Tatsache feiern, dass er kurz zuvor eine jahrelange gerichtliche Auseinandersetzung um den Verkauf seiner Firma gewonnen hatte. Stattdessen wurde die Tour zur Todesfalle, die sieben Menschen das Leben gekostet und 15 weitere traumatische Erlebnisse beschert hatte.
Saison 2024: Vielzahl von Yachtdramen
Ein Brand, eine Yacht im Sturm oder eine am Grund liegende Superyacht: Dramatische Unglücke mit Yachten gibt es immer wieder mal. Doch in der Saison 2024 häufen sich die Meldungen von dramatischen, nachfolgend nur ein paar der schlimmsten Ereignisse des Jahres:
- Im Januar 2024 sank die 35m Benetti Yacht „Pour Another“ bei Fort Lauderdale
- Anfang August sank in Mallorca vor der Bucht von Camp de Mar in der Gemeinde Andratx eine Motoryacht mit einer Familie an Bord
- Die 31m Wally Segelyacht „Wally Love“ wurde während eines Sturms in Formentera Anfang August and Land gespült
- Mitte August 2024 sank die Motoryacht „Illusions“ in Isla Mujeres, Mexiko
- Nach einem Feuer sank ebenfalls Mitte August des Jahres die 47m lange Heesen Yacht Atina nach einem Feuer vor Sardinien