Der Winter 2015/2016 ist immer noch tief in dem Gedächtnis der Pauls verankert. Orkane bis zur vierten Stufe (ca. 250 km/h) mussten nicht nur im Hafen, sondern auch vor Anker in den Fjorden Grönlands überstanden werden.
Windgenerator wird im Orkan zum gefährlichen Geschoss
Der für die Stromversorgung wichtige Windgenerator hatte sich in einem der Orkane in seine Bestandteile aufgelöst und wurde durch die extremen Windgeschwindigkeiten zu einem überaus gefährlichen Gerät.
Die eingeschaltete Bremse des Generators, die für solch Extreme ausgelegt sein sollte, hielt nicht was sie versprach und der Generator rauschte in einem der Hurrikans, so laut wie ein Rotor eines Helikopters, unkontrolliert los.
Wir waren froh um unser Behelfsdach aus Holz, über unsere Persenning am Heck des Schiffes, damit bei einem eventuellen Abriss eines Flügels die Plane nicht durchschlagen werden konnte und vielleicht dadurch Personenschäden entstehen hätte können.
Übrigens schon der Zweite, der den Belastungen nicht standhielt.
Grönlands Westküste
Nach einem taktisch gelungenem Zug gegen das Packeis von der Ostküste, welches den Überwinterungsort der beiden Abenteurer in Qaqortoq für weitere Wochen blockierte, machte sich die Crew für ihr neu geplantes Vorhaben auf den Weg.
Es sollte langsam im Arrangement mit den Naturgewalten die Westküste Grönlands Richtung Norden gefahren werden. Der Plan war an die Nordwestpassage ran zu fahren, um eine Dokumentationen über die Eis- und Wetterverhältnisse zu erstellen.
Im Hinterkopf sollte aber immer ein Rückzug nach Westgrönland erhalten bleiben, damit nicht eine fünfte Überwinterung, von etwa 11 Monaten, davon drei in vollkommener Dunkelheit bei Temperaturen weit unter -30°, mit den dadurch entstehenden Eisbildungen und dem nicht vorausplanbaren Bürokratismus durchgeführt werden muss.
Die Fahrt, die Mitte April von Qaqortoq begann, wurde durch schwere Stürme, Treib- und Festeis einschließlich reichlichem Schneefall bis Mitte Juni begleitet.
Die Hauptstadt Grönlands Nuuk, welche auf dem 64° nördlicher Breite liegt, wurde passiert.
Wasser dringt ins Schiffsinnere
Kurz vor der Siedlung Maniitsoq, welche über dem 65° Breitengrad liegt, passierte es dann.
Eine Verkettung zahlreicher Schäden, die auch das Meerwasser ins Schiffsinnere ließ, stoppte die Weiterfahrt der beiden abrupt. Tag und Nacht wurde repariert, damit weiteres Eindringen des Wassers verhindert wurde.
Der Erfolg war sehr gering, denn Pauls gut ausgelegtes Ersatzteillager war über die vergangenen Jahre in der Arktis stark geschmälert worden, sodass nicht mehr alles verfügbar war.
Es musste der Umkehrkurs in die Hauptstadt Nuuk angelegt werden, um Ersatzteile zu beschaffen. Doch auf der abgelegenen weltgrößten Insel war wie erwartet nicht alles verfügbar, so musste im Ausland geordert werden.
Zur Rückfahrt gezwungen
Fehlerhafte Lieferungen und überaus lange Lieferzeiten, zwangen die beiden in die Knie. Ihr Vorhaben an die Nordwestpassage ran zu fahren musste aufgegeben werden.
Kurz entschlossen begab sich die Crew mit ihrem nicht ganz intakten kleinen Expeditionsschiff wieder auf die Rückfahrt nach Südgrönland.
Über den Winter wurde ein Plan B geschmiedet, der jetzt aktiviert werden sollte. Vom Kap Farvel aus sollte die überaus lange See-Etappe von etwa 1400 sm (2592,8 km) absolviert werden.
Die Knochen der Pauls und die Spannten des Schiffes sollten mal nach solch einem langen, dauerhaften Aufenthalt in der Arktis im warmen Wasser rund um die Azoren gründlich durchgewärmt werden.
Nach den Beobachtungen der letzten Jahre wusste Skipper Paul, dass es für solch eine lange Strecke selbst im Hochsommer kaum ein beständiges Wetterfenster gibt, indem er mit seinem Schiff ohne kalkulierbares Risiko fahren kann.
Die ausgeklügelte Taktik sollte das kleine Schiff zwischen den – in den Sommermonaten – kleineren Tiefdruckgebieten durchschlüpfen lassen. Einziges nicht vorhersehbares Risiko waren die unterschiedlichen Strömungsverhältnisse im Nordatlantik.
Trotz des nicht zu hundertprozentig intakten Schiffes, stach die Crew Anfang Juli für diese große Etappe in See.
Neuerliche Umkehr: Schwere Winde auf offener See
Schwere Winde mit überhohen und kurzen Wellen begleiteten die beiden gleich bei der Abfahrt vom Kap Farvel in die offene See, sodass nicht die geplante Geschwindigkeit gehalten werden konnte. Die See beruhigte sich zwar langsam, dennoch gewann das Schiff nicht an Fahrt.
Die Strömungen waren wesentlich intensiver als voraus kalkuliert und so gewann die Gypsy Life nicht den nötigen Abstand zum Kap, welches in kurzer Zeit wieder von einem starken Tiefdruckgebiet heimgesucht wurde.
Die Crew entschied sich für den Umkehrkurs, zurück in die Fjorde vor einen großen Gletscher, der durch seine wesentlich kältere Umgebungstemperatur die starken Winde wie an einer Wand abprallen lies. Eine Praxis, die für die beiden durch das Leben in der Arktis zur Routine wurde.
Weitere Reparaturarbeiten folgten in der Zeit des Wartens auf Wetterbesserung.
Kurs nach Island
Laut Informationen der Inuit sei die Ostküste Grönlands immer noch mit reichlich Treibeis blockiert, sodass die Crew aus Erfahrung wusste, dass eine dortige Fahrt unter den herrschenden Wetterbedingungen, wie dichtester Nebel, Schneefall und Seegang keine Vergnügungsfahrt werden würde.
So entschlossen sie sich die gleiche Taktik wie in den Azoren anzuwenden nur mit dem Unterschied, dass der Kurs nach Island angehalten wurde und die Strecke nur halb so lang sei.
Mittlerweile haben die Pauls Island erreicht und halten weiter Kurs nach Europa.
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Fotos: Harald u. Silvia Paul