Sollte eigentlich kein Problem sein, so die Annahme der Pauls als sie auf der Maas zu Berg die erste Schleuse Frankreichs in der Ortschaft Givet einfuhren. Dass französisch und kein einziges Wort in einer anderen Sprache gesprochen wird wurde den Pauls bereits vor der Abfahrt als guter Ratschlag mit auf die Reise gegeben.
Der Skipper der Gypsy Life, der kaum ein Wort französisch kann, glaubte das nicht so ganz und probierte ein Mix aus italienisch, holländisch, englisch und eben ein paar Brocken in der Landessprache, die er wohlweislich in den belgischen Schleusen von den hilfsbereiten Schichtführern notiert hatte.
Wasserstand im Kanalsystem auf 1,60 m
Die Sprache ist nicht ganz so leicht, da nicht nach der Schrift gesprochen wird. Siehe da der Wille, auch wenn die Aussprache mehr als schrecklich klingt, brachte unerwarteten Erfolg. Die Verständigung klappte so gut, dass die Pauls auf Grund des Tiefgangs ihres Schleppbootes Gypsy Life, von etwa 1,70 m keine Genehmigung zur Weiterfahrt bekommen haben.
Durch die anhaltende Dürre und einigen Reparaturarbeiten an verschiedenen Schleusen, wurde der ganze Fluss und das Kanalsystem der Maas (Meuse) auf 1,60 m Wasserstand begrenzt. So waren die Pauls mit ihrer Flotte, bestehend aus drei Booten, gezwungen zu Tal Richtung Norden zu fahren.
Verweilen auf der Maas
Da die Crew schon mit schwierigeren Aufgaben bei ihren fast 20 Jahre langen Nordfahrten konfrontiert wurden, bleiben sie nach einer halben Tagesfahrt an einem ihnen bekannten Liegeplatz. Man genießt die anhaltende Schönwetterperiode und verweilt dort einige Tage, um nach einer Lösung zu suchen.
Die Gypsy Life geht, wenn sie für die Nordlandexpeditionen geladen wurde, im Süßwasser um 1,85 m tief. Im kalten Salzwasser wegen seiner hohen Dichte etwa 1,80 m.
Tiefgang verringern
Bei der Überwinterung in Holland hat man schon in weiser Voraussicht viel Gewicht abgeleichtert. Einiges wurde nicht mehr für die Fahrt in den Süden gebraucht und einiges wurde auf den neuen Barge (WRB9) umgeladen. Ordentlich Gewicht hat man beim Umladen der beiden Motorräder von der Gypsy Life in den Barge (WRB9) eingespart. So nahm man das Maß von der Wasseroberfläche gemessen, um etwa 10 cm im Tiefgang ab. Die rettende Idee kam dem Skipper nachts, was er noch unternehmen kann, damit der Tiefgang flacher wird.
Man hat vor einigen Jahren, unter den 22 mm starken Eisenkiel zusätzlich einen etwa 12 cm dicken Holzbalken aufgeklebt. Dieser hatte die Aufgabe eine Dämpfung bei Grundberührung zu erfüllen und auch als Bremse auf Felsen zu wirken. Wird dieser entfernt, verringert sich der Tiefgang knapp unter 1,60 m.
Mit Holzkeilen, einem Fäustling und einem scharfen langen Messer bewaffnet arbeitete der Paul mehrere Stunden in zahlreichen Tauchgängen unter dem Stahlverdränger. Die Aufgabe, den von im selbst in penibler Kleinarbeit aufgeklebten Balken wieder runter zu bekommen, stellt sich als nicht so leicht heraus. Hatte er doch über 15 Jahre bei seinen Exkursionen in den Nordpolarmeeren, bei den vier Nordatlantiküberquerungen und den dazu gehörigen Überwinterungen im Eis bestens gehalten.
Die Holzkeile werden mit dem Fäustling zwischen Holz und Stahl geschlagen, damit Spannung auf die Klebeflächen kommt. Ist erst mal ein dünner Spalt geschaffen, wird mit dem Messer durchgefahren. Zum Schluss wird ein Tau an dem gelockerten Ende angebracht und der gesamte Holz Kiel mit dem Beiboot von oben, runtergerissen. Das über 10 Meter lange Teil ist durch die lange Verweildauer unter Wasser enorm schwer, was die Crew merkt als sie das Teil ans Land wuchtete. Beim Zersägen des Holzes werden sie aber von einer noch sehr guten Qualität überrascht.
Mit dem neuen Tiefgang wird wieder die französische Schleuse in Givet angesteuert. Auf Papier wird mit Bleistift eine Skizze des verringerten Tiefgangs, zum besseren Verständnis der Beteiligten angefertigt. Die Schichtführer nicken und die Rechnung für alle Schiffe rattert aus dem Drucker. Mit diesem Schriftstück können für ein Jahr in Frankreich alle Schleusen, Hebeanlagen und Tunnel benutzen. Die Pauls haben es geschafft.
Schleusen ohne Personal
Kurz nach Givet hören auch die mit Personal besetzten Schleusen auf. Für die Weiterfahrt der unzählbar vielen Kammern wurde ein Handsender ausgehändigt, der von der Ferne jede Schleuse betätigen lässt. Wenn es funktioniert eine prima Sache.
Wer es eilig hat, eine Strichliste für die Anzahl der gefahrenen Schleusen führt und die stressfreie und sorglose Art der Franzosen nicht akzeptiert, arbeitet sich an den zahlreichen Schleusen auf.
Zeit ist das heilende Wort, was scheinbar nicht viele Skipper vorrätig hatten. Es wurde gedrängelt, an den unmöglichsten Stellen überholt oder einem vor dem Bug die Tore geschlossen, obwohl noch reichlich Platz für das Gespann gewesen wäre. Die Pauls nahmen es gelassen, weil sie bedingt durch ihren neuen WRB9, der auch als Steg Verwendung fand, überall entlang des Ufers stillliegen konnten. Eine Möglichkeit, die der Skipper im Inneren sehr gehofft und jetzt bestätigt bekommen hat.
Fauna und Tierwelt
Dadurch wurden sehr naturbezogene Plätze mit viel Fauna und Tierwelt angesteuert. So wie sie es aus den vorherigen Jahren im Norden gewöhnt waren. Ab und zu kommt mal ein Boot vorbei, aber sonst sind die zwei für sich allein und ungestört. Nur reichlich Vögel und Wild tummelt sich um die Heimat der beiden.
Schleuse um Schleuse fahren sie zu Berg bis es ab Verdun wegen Wassermangel und Brückenarbeiten für einige Zeit nicht weiter gehen soll. Die Pauls bleiben schon weit vor der Ortschaft in dem eigentlichen Fluss, die Meuse am Ufer liegen und genießen das anhaltende schöne Wetter.
Die vermeintliche Liegezeit vergeht wie im Flug, da auch einige den neu ins Leben gerufenen Reparaturservice vom Wasser aus in Anspruch genommen haben. Sogar eine weit entfernte Notreparatur wird vom Skipper via Motorrad angefahren und vor Ort behoben.
Einem schwedischen Tango Tänzer, der mit einem kleinen Segler vom Norden runter nach Spanien unterwegs war, wurde geholfen. Verschiedenen anderen Schiffen, die über mechanische oder elektrische Probleme klagten, wurden wieder schmerzfrei.
Plötzlich kam von der französischen Kanalbehörde die Aufforderung, dass sich alle Schiffe in Richtung Toul also noch etwas weiter als Verdun in dem Kanalsystem oder im Hafen selbst einfinden sollten. Für uns, die am weitesten von dem angegebenen Punkt entfernt waren, hätte die kurz bemesse Fahrzeit nicht ausgereicht. So wurde über die Zentrale der französischen Behörde für uns als Berufsschiffer eine Sonderöffnungszeit der Schleusen eingerichtet.
Voraussetzung sei aber, dass unser Schiff nicht nur mit Radar und Funk ausgestattet sei, sondern auch mit ausreichend Lichtquellen bestückt ist. Dieses Licht ist zwingend nötig, da die engen Ein- und Ausfahrten aus den Schleusen und Tunneln in den Morgen und Abendstunden noch dunkler als die weitere Umgebung sind und dadurch eine erschwerte Navigation hervorrufen wird.
Da die Gypsy Life viele Winter Navigationen in der Arktis im Kielwasser hat und es da über Monate nur dunkel war, waren diese Voraussetzungen erfüllt. Mehrere Grundberührungen im Kanalsystem wegen dem niedrigen Wasserstand und der damit verbundene Stillstand der Flotte verzögert zusätzlich ein Fortkommen.
Weiterfahrt beim Kanal von Toul gesperrt
Die Schichtführer, die für mehrere Schleusen die Verantwortung tragen, sahen dem nach französischer Manier gelassen entgegen und hoben jeweils den Wasserspiegel für uns zwischen den Schleusen an, damit eine Weiterfahrt gewährleistet wurde.
In dem Kanal vor Toul angekommen, ist auch hier die Weiterfahrt auf Grund von Brücken und Schleusen-Bauarbeiten bis auf weiteres gesperrt. Außerdem ist der Kanal de Foges aufgrund von Wassermangel auch gesperrt.
Die Pauls warten wieder und werden sich wahrscheinlich auf eine Überwinterung einstellen müssen.
» Paul Expedition: Die Abenteuer der Pauls in der Artkis
Fotos: Harald u. Silvia Paul