Im späten Herbst vergangenen Jahres, wurden den Pauls mit ihren Schiffen nahegelegt, aus dem Einzugsgebiet der Meuse, wegen Hochwassergefahr, weiter südlich kurz vor Toul ins sichere Kanalsystem, zu steuern. Dort angekommen, richten sie sich fernab vom Massentourismus am Fuße eines Berges, durch den ein Tunnel für die Bahn verläuft im übertragenem Sinne, häuslich ein.
Trockene Bäume werden als mögliche Brennholzgewinnung für das Heiz- und Kochsystem auf der Gypsy Life angezeichnet. Die Trinkwasserversorgung auch bei Frost muss sichergestellt werden. Der letzte Punkt, die Verproviantierung, kann durch die im WRB9 mit geführte Reise Enduro problemlos in der etwa 20 km entfernten kleinen Stadt Commercy erledigt werden. So steht einer Überwinterung für die Pauls nichts im Wege. Die täglichen Routinearbeiten werden das Programm für die nächsten Monate sein, so die Annahme der Pauls. Sie sind durch die zahlreichen Überwinterungen in der Arktis bestens dafür ausgerüstet, so dass dies keine echte Herausforderung mehr darstellt.
Fallender Wasserstand
Nach einigen Wochen merkt Paul, dass der Wasserstand im Kanal merklich abnimmt und nicht wie versprochen konstant bleibt. Das Schleppschiff die Gypsy Life steht schon seit geraumer Zeit mit ihrem Kiel im Morast. Ist nicht weiter tragisch, nur nimmt das Wasser weiter ab, sodass sich das Schiff nach Steuerbord legt. Ein Anruf bei VNF der Kanalbehörde, lässt einen Mann vorbeischauen, damit die Lage geklärt werden kann. Dieser Kanal, in dem sich die Flotte befindet, ist nicht nur ein Kanal, sondern fungiert gleichzeitig als Speicher für die Treppenschleusen in Richtung Toul. Es sei ganz normal, dass der Wasserstand schwankt, so die Info des VNF Mitarbeiters.
Von schwanken ist ja keine Rede, sondern von der ständigen Pegelabnahme. Außerdem haben in den letzten Wochen keine Schiffe die Pauls passiert, sodass die Schleusen ruhen müssten. Es wird eingeräumt, dass bei Arbeiten an den Zuleitungen von der Mosel in diesen Kanal kleine Probleme aufgetreten sind. Die da wären, dass eine Pumpe ausgefallen ist und ein Bagger eine der Wasserrohrleitungen beschädigt hat. Mit anderen Worten ein Totalausfall bei der Wasserzufuhr. Ist alles verständlich, doch gibt das noch keinen befriedigenden Aufschluss über die ständige Wasserabnahme in diesem Kanal. Ganz zum Schluss dieser Unterhaltung zwischen dem VNF Mitarbeiter und Paul wird zugegeben, dass außerdem Wasser vom Kanal in die Meuse zur Fischerhaltung gelassen wird. Mit diesem Punkt hätte man beginnen sollen. Resultierend aus dieser Unterhaltung passiert erst mal nichts.
Die Gypsy Life droht umzufallen
Die Gypsy Life bekommt ernstzunehmende Lage, welches nicht nur das wohnen einschränkt, sondern auch die Sicherheit des Schiffes. Es besteht Handlungsbedarf, denn wenn jetzt nichts unternommen wird und die Gypsy Life würde mit ihren guten 20 Tonnen seitlich im Schlamm liegen, könnte die Kanalbehörde das Schiff nicht bergen. Die geografische Lage ist für einen Autokran, der über die Kanalbreite von etwa18 m hinweg das angegebene Gewicht heben müsste, zu abgelegen.
So bleibt den Pauls nur die Selbsthilfe durch Improvisation übrig.
Aus den zahlreichen Überwinterungen in der Arktis, hat sich ein spezielles Equipment auf dem Schiff angesammelt, welches jetzt unerwartet wieder zum Einsatz kommt. Da wären dünne Seile, die eine bessere Haltekraft wie Stahlseile haben und diverse Kettenstücke, die an scharfkantigen Befestigungspunkten verwendet werden müssen.
Das Hauptschiff wird an der Backbordseite an Bäumen und Steuerbord an der gegenüber liegenden Spundwand seitlich abgespannt. Schwere Ratschengurte werden zwischen gekoppelt um die aufrechte Position, die innen im Schiff durch einen Kränkungsmesser angezeigt wird, zu erhalten.
Das Wasser fällt so dermaßen ab, dass die Hauptmaschine und der Generator, der für das tägliche Leben am Schiff äußerst wichtig ist, stillgelegt werden müssen. Beide Maschinen werden vom Außenwasser gekühlt, welches aber nicht mehr durch die im Rumpf befindlichen Einlässe, angesaugt werden kann.
Der WRB9 verfügt über einen luftgekühlten Generator, der jetzt die Versorgung für die Gypsy Life mit übernehmen muss. Ferner ist auch die Latrine wegen dem Wassermangel, außer Betrieb.
Eine Behelfsbrücke aus Stämmen in Planung
Der Wasserstand ist momentan etwa einen Meter, Tendenz weiter abnehmend. Mit dem FB5 kann noch auf die andere Seite des Kanals zum Zweirad gefahren werden. Denn damit muss der Proviant geholt werden.
Leider wird das Motorrad nachts von zahlreichen Mäusen heimgesucht und durch Nageschäden lahmgelegt. Hier muss Paul über einen Tag im WRB9 die Enduro reparieren, um alles wieder in Ordnung zu bringen.
Paul überlegt sich schon wie er eine Behelfsbrücke über den Kanal zum Schiff aus den dort stehenden Bäumen fertigen kann. Denn sollte das Wasser noch weiter fallen, muss durch tiefen Schlamm gestiefelt werden, um den Proviant und das Trinkwasser an Bord zu bekommen.
Die Bauzeit schätzt er auf etwa 2 Wochen Arbeit, da er so wie beim Bau des Floßes in Kanada für den Transport eines Motorschlittens zum Basislager, keine maschinellen Hilfsmittel zur Verfügung hat.
Seil- und Kettenzüge, zahlreiche Umlenkrollen, jede Menge Tauwerk, Äxte und die Motorsägen sind die Standartausrüstung der Gypsy Life, die für solch Bauwerk reichen muss. Es setzt zwar zeitweise Regen ein, der aber den Kanal, der keine weiteren Zuflüsse aufweist, nicht befüllt.
Das Wasser fällt täglich um einige Zentimeter. Schiff steht durch das unterschiedliche spannen der Gurte noch aufrecht. Die Crew hofft, dass alle verwendeten Materialien den beschriebenen Anforderungen gerecht werden.
Erschwerter Tagesablauf durch einsetzenden Dauerregen
Die Schiffe liegen zwar an der einen Kanalseite an, von der auch der Landgang möglich ist, doch eine Versorgung ist durch den anschließenden steilen Hang nicht möglich. Er dient nur zum Training mit der Sportenduro und dem Wild als Unterstand. Zahlreichen Rehe, Wildschweine, Füchse, Dachse und sogar einen Wolf konnte Paul nachts mit seiner speziellen Optik, beobachten. Ein Fuchs ist so an die Schiffe gewöhnt, dass er sich im Schutze der Dunkelheit bis auf wenige Meter ran wagt.
Trotz der gesamten Lage müssen die alltäglichen Arbeiten, die zum Leben beitragen erledigt werden. Wobei die Gewinnung von Brennholz einer der wichtigsten ist. Sorge bereitet den Pauls der Dauerregen, weil dadurch das Holz zum Verbrennen zu nass wird. Sie behelfen sich dadurch, dass sie einige Stämme im Vorrat schneiden und sofort mit einer Folie abdecken. Sollte es Regen frei Momente geben, wird zum Trocknen die Folie entfernt und sofort wieder abgedeckt, wenn die ersten Tropfen zu sehen sind.
Ein kleiner Ölofen, der mit am Kamin des Holzofens angeschlossen ist, hält auch bei der Verwendung von zu nassem Holz die Kamintemperatur konstant, sodass dadurch kaum eine Versottung stattfinden kann. Eine Taktik aus den Arktis Expeditionen.
Der plötzliche Wandel
Unerwartet kommt der Chef der VNF Station, die für die Region zuständig ist, vorbei und will sich über die Sachlage informieren. Er ist beeindruckt, wie unter den gegebenen Umständen ein Leben stattfinden kann. Er versichert eine baldige Änderung der Situation, da die Reparaturen an der Wasserzufuhr im Endstadium sind. Wenige Tage später kommt Wasser in das Leben der Pauls und sie können ihre Konstruktionen und Vorkehrungen abbauen.
Ein vorbeikommendes Schiff lässt verkünden, das der Regen in der letzten Zeit, eine Weiterfahrt gen Süden ermöglicht. In nur wenigen Stunden sind die Pauls trotz den Vorkehrungen einer Überwinterung abfahrbereit und verbringen die Weihnachtsfeiertage im Hafen von Toul.
Leichter Schneefall und dünnes Eis
Der Dauerregen verwandelt sich teilweise in leichten Schneefall. Eine Erleichterung für die Pauls, weil dadurch die Luftfeuchtigkeit sinkt und das Schiff von innen wieder besser austrocknen kann. Die Fahrt wird trotz den etwas schlechteren Wetterbedingungen, gen Süden, fortgeführt. Ein Stück die Mosel zu Berg, um den Canal des Vosges zu erreichen.
Dieser Kanal ist für die Pauls zu steril ausgebaut, sodass sie versuchen ohne größere Pausen durch zu kommen. Die Temperaturen fallen aber deutlich unter die Null Grad Grenze und dadurch bildet sich sofort auf dem stillstehenden Kanalwasser eine dünne Eisschicht. Für den Unbedarften stellt das sicher mit einem Stahlschiff kein Problem dar, aber der Kenner weiß, dass dünnes Eis den mit Mühe und hohen Kostenaufwand aufgetragenen Schutzanstrich nach mehreren Kilometer Eisfahrt bis auf das blanke Eisen abschält. Die Pauls haben zwar einen besonderen Anstrich durch die Praxisfahrten in der Arktis auf ihren Schiffen, doch sie wissen um das Problem bei dünnem Eis.
Trotz sonnigen Abschnitten über die Tage verteilt, bleibt es in den Schattenbereichen festgefroren. Durch die Information der VNF weiß Paul, wann ein Schlepper mit einem Barge durchfährt und das dünne Eis bricht. Hier zählt schnelle Reaktion, damit gleich hinterhergefahren werden kann. Einen Tag Frost dazwischen, verschlechtert die Situation zunehmend, da sich die Eisbrocken wie ein Verbund mit einer Verstärkung zusammenschließen. In der Winterzeit, fahren aber nur sehr wenige Maschinenfahrzeuge der Behörde. So ist wieder ein warten angesagt. Man hat gerechnet, dass das Warten wesentlich billiger und zeitsparender, als die Durchfahrt mit den Kosten der Farben, des Hebekrans und schließlich dem hohen Arbeitsaufwand, ist.
Motorradmobilität
Mit der Sportenduro werden die nächsten Schleusen abgefahren, um zu sehen, wie sich das Eis auf dem Kanal entwickelt. Hier macht sich wieder die Erfahrung aus der Arktis bemerkbar. Überall da wo der Wind etwas über die Wasserflächen streichen kann, ist das Eis trotz Minustemperaturen verschwunden. Die Struktur des Eises, gerade des Süßwassereises, kann nämlich keine Wasserbewegung ab. Ein überaus wichtiges Kriterium bei den Eisveränderungen in der Arktis, über die nie berichtet wird, da immer trotz starken Minusgraden von einer Schmelze ausgegangen wird. Welches aber nicht zutreffend ist.
Nur mit dem Beiboot und deren erzeugten Wellen, hat Paul bei richtiger Windrichtung überaus starkes Eis aus geschützten Buchten im hohen Norden ohne Schaden am Boot brechen können, um Schutz vor den arktischen Hurrikans, den Wellen und den Eispressungen des Packeises, zu bekommen. So kalkuliert der Schiffsführer, mit wie viel Aufwand das Eis in den Schattenbereichen mit den Wellen des Beibootes gebrochen werden muss, um so von Lücke zu Lücke offenem Wasser zu gelangen. Denn eine Überwinterung ohne jegliche Vorbereitung vor Ort ist nicht möglich.
Durch Strömung keine Eisbildung
Die Pauls haben Erfolg mit ihrer Taktik und gelangen ohne einen Schaden an den drei Booten, nach einiger Zeit aus dem Kanal des Vosges in die Saone. Hier fließt das Wasser zwar sehr langsam, aber kontinuierlich zu Tal. Dadurch kann sich bei den wenigen Minustemperaturen kein Eis bilden. Die Saone ist mit ihren Windungen eher Natur belassen und sagt den Pauls durch die gewachsenen Uferkanten besser zu.
Langsam lassen sie sich durch die Hilfe der Strömung weiter gen Süden und in den beginnenden Frühling treiben. Frühling oder auch Herbst, sind Jahreszeiten, die es in der Arktis kaum gibt. Deswegen will die Crew es wieder mal erleben, wenn die Sonne anfängt steiler zu stehen, es merklich wärmer wird, die ersten Blätter an den Bäumen sprießen und die Vögel ihre Hochzeitlieder singen. Die Pauls lassen es weiter ruhig angehen und wissen noch nicht wie weit sie in diesem Jahr kommen, man darf gespannt sein.
» Paul Expedition: Die Abenteuer der Pauls
Fotos: Harald u. Silvia Paul