Mit der Sense-Baureihe folgt der französische Großserien-Hersteller Bénéteau konsequent einem architektonisch recht eigenständigen Yacht-Konzept. Boot Online segelte das aktuelle Flaggschiff Sense 57 vor Barcelona.
Erster Eindruck am Steg
Lang gestreckte Linien, mit einem für eine fast 18m-Yacht gering anmutendem Freibord, dominieren den ersten Eindruck am Steg. Dazu ein elegantes Cabrio-Bimini, das über dem Cockpit zu schweben scheint – allein voluminöse achtere Stützen und Streben nehmen dem ersten Blick die Leichtigkeit.
Beim Betreten erweist sich die auf der abgesenkten Badeplattform achtern mittig gefaltete Badeleiter als gewöhnungsbedürftige Stolperfalle. Zumal in diesem Moment immer wieder der über das Cockpit weit unter Deck schweifende Blick ablenken und begeistern wird. Von einem „Niedergang“ kann hier kaum die Rede sein: nur drei Stufen überwinden das Niveau zwischen draußen und drinnen.
Lichtdurchflutet interpretiert der Salon eindrucksvoll die jeweilige Umgebung. Decksluken und vier große zu öffnende Fenster unterstreichen dies. Die an Steuerbord längs eingebaute Pantry lässt ob der Anordnung und Funktionalität kaum Wünsche offen. Lediglich an einigen der zahlreichen Schapps wären Lüftungsschlitze zur Stauung von frischen, doch nicht zwingend zu kühlenden Lebensmitteln wünschenswert.
Backbord des Niedergangs befindet sich die Navigationsecke, mit Blickrichtung nach achtern verbaut und somit jederzeit in Kontakt mit dem Rudergänger. Etwas störend die getönten Schiebefenster vor den Schaltern, Reglern und Anzeigen, die eine Statuserfassung auf einen Blick nicht zulassen. Der mit einem Neigekissen bestückte Sofaschenkel vor dem Ablagepult sorgt bis etwa 15° Krängung für einen bequemen und sicheren Sitz.
Am absenkbaren Salontisch finden sechs erwachsene Personen bequem Platz, so die Sitzbank eines Zentralmöbels zum Tisch hin ausgeklappt ist. Dieses nimmt auch den optionalen, elektrisch ausfahrbaren 32“ Fernseher auf, und dient gleichzeitig in der Pantry bei Lage köchelnden Mitseglern als kommode Stütze.
Sense-typisch der komplett freie Durchgang von der Badeplattform bis zur Bugkammer. Bei geöffneten Schiebetüren der davor platzierten Gästekammern entsteht, selbst für eine Yacht dieser Länge, ein sehr großzügiges Raumgefühl. Dazu tragen ebenfalls verdunkelbare Fenster zwischen Salon und Seitenkammern bei.
Alle drei Kammern verfügen über ein selbst für hochgewachsene Personen ausreichend dimensioniertes Bad mit abgetrennter Dusche en Suite, in der Bugsektion in getrennten Räumen. Staumöglichkeiten in den Seitenkammern wurden leider knapp bemessen, in der Bugkammer gerade ausreichend – mit Blick auf leichte Sommergarderobe. Mit 2,03 m x 1,21 m – 1,70 m (Bugkammer) bzw. 2,00 m x 1,00 m – 1,56 m (Seitenkammern) verdienen die auf Lattenrosten ruhenden Doppelbetten durchaus ihren Namen.
Fazit unter Deck: eine zeitlose Architektur mit viel Licht und Luft lädt nach dem Segeln zum Verweilen ein. Gefühlt mit einem kleinen Ferienhaus gleichzusetzen, und durchaus für längere Aufenthalte geeignet. Die Schapps für Kleidung sind etwas knapp ausgefallen und ein Deckenhandlauf in Längsachse wäre bei Lage wünschenswert. Tadellose Bauausführung.
Zeit, Segeln zu gehen!
110 PS (Standard-Maschine: 80 PS) schieben über einen starren, dreiflügeligen Propeller die knapp 19t verdrängende Yacht leichtfüßig gegen einen halben Meter Mittelmeerwelle. Die Doppelruderanlage setzt Bewegungen am Rad spontan um und lässt im Hafen schon mal ein Bugstrahlruder vergessen. Die Ergonomie der Steuerstände ermöglicht, im Stehen wie im Sitzen, jederzeit eine sichere Position und gute Sicht über den Bug. Der Weg dorthin wird jedoch von einem zum Passieren unglücklichen Winkel der Unterwanten kurzfristig gestört.
Während der Hafenausfahrt ein Blick über das asymmetrisch geteilte Cockpit: auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig ob der Anordnung, danach sehr durchdacht in multifunktionaler Nutzung. Vier Personen finden an Steuerbord reichlich Platz um einen festen Cockpittisch. Wird dieser abgesenkt, entsteht eine große Liegefläche. Dies bei komplett freiem Durchgang zum Niedergang oder der Badeplattform, und zwei weiteren, auf der Backbordseite sitzendenden Personen. Für diese ist, aus einem schlanken Rahmen – der bei Seegang zu probater Stütze und Handlauf wird – ein zweiter Tisch klappbar. Ebenso im Rahmen elegant versteckt: eine weitere Sitzbank für den Steuerbordtisch. Auch bei sechs Personen am Steuerbord-Tisch bleibt der Cockpit-Durchgang frei. Ideal, insbesondere so die für die achteren Backkisten optionale Freiluftküche nebst Grill zum Einsatz kommt.
Komfortabler Cruiser
105% Genua und Groß sind – auf dem Testschiff von elektrischen Winschen unterstützt – flott gesetzt. 152qm Segelfläche am Wind beschleunigen die Sense 57 recht zügig auf 5,8 Knoten – bei herrschenden 9,3 kn Wind (TWA 40 / AWA 28). Nach den Wenden (Wendewinkel 85°), die ob weit vorne positionierter Genuawinschen eine helfende Hand benötigen, spricht die Yacht zügig auf den neuen Bug an. Abgefallen, und mit einem leichten Schrick in den Schoten, werden über 7 kn geloggt (TWA 74 / AWA 48). Bei leichten Winden durchaus erfreuliche Werte, die großes Spaßpotential unter Code 0 bereits eindrucksvoll versprechen. Dabei jederzeit mit trimmendem Blick auf das Groß: ein kurzer Griff an das vor Sonne oder Wetter schützende Bimini erlaubt stufenlos umgehend Antworten.
Währenddessen lief die Yacht ohne nennenswerte Korrekturen des Rudergängers sauber ab. Erkennbare Rückmeldungen der Ruder, das Seeverhalten in rauer See sowie das wirkliche Segelpotential ließen sich bei 2-3 Bft seriös nicht feststellen. Ob des gezeigten Verhaltens ist durchaus ein allen Situationen gewachsenes, schnelles und vor allem sicheres Schiff zu erwarten, dem man gerne Familie und Freunde anvertraut.
Das Sense-Konzept erlaubt Backskisten von eindrucksvoller Größe unter den Cockpitbänken. Optional ist an Backbord dort sogar eine weitere (Einzel-) Kammer möglich. Zur Verfügung stehender Raum, der, neben Fendern und Festmachern, im Laufe der Zeit so manches an Bord benötigtes oder liebgewonnenes aufnimmt – abgesehen von einer Rettungsinsel, die jederzeit einsatzbereit unter dem achteren Cockpitboden lagert. Doch selbst ein Blick auf den Seewasser-Filter des Motors verlangt die komplette Leerung der Steuerbord-Backskiste, da nur von dort aus erreichbar. Durch einen dem Konzept ebenso willkommenen wie geschuldeten kurzen Niedergang, ist ein Rundum-Zugang der Maschine nur erschwert möglich.
Ebenso bedarf die Führung der Notpinne weiterer Aufmerksamkeit der Werft – auf dem Testschiff verblieben nur Millimeter zum jeweiligen Heckkorb.
Mit einem Preis von 393.100 EUR (zzgl. Steuern) liegt die Yacht ähnlich dem Wettbewerb unter den Großserien-Anbietern. Voll ausgestattet, und mit keinem offenen Wunsch für lange Fahrt unter allen Bedingungen, endet die Preisliste, wie bei unserem Testschiff, bei 586.500 EUR (exkl. MwSt.).
Bootsdaten im Überblick:
Werft: Beneteau (Frankreich)
Name: Sense 57
Jahr: 2016
Länge: 17,78 m
Breite: 4,97 m
Tiefgang Langkiel: 2,4 m
Gewicht: 18 t
Motorleistung: 80 – 110 PS
Treibstofftank: 415 l
Wassertank: 640 l (Optional 330 L)
Großsegel: 74 m²
Genua: 78 m²
Kabinen / Nasszellen: 3 / 3
CE Kategorie: A 10/B11/C16
Preis: ab 391.000 EUR (exkl. MwSt.)
» Segelyachten-Hersteller im Boot Online Anbieter-Verzeichnis
Fotos: Boot Online, Gilles Martin-Raget & Nicolas Claris